„BIG HERITAGE. Welche Denkmale welcher Moderne?“
Über die Ausstellung
Kirchen, Schlösser und Fachwerkhäuser gelten heute unbestritten als Baudenkmale. Wie aber wird der Wert von Großwohnsiedlungen, Einkaufszentren oder Campus- Universitäten beurteilt? Zwei Drittel des Gebäudebestands in Deutschland wurden zwischen 1949 und 2000 errichtet, mehr als die Hälfte davon allein bis 1980. Die häufig als „Betonklötze“ geschmähten Bauten der Nachkriegsjahrzehnte sind heute Zeugnisse einer abgeschlossenen Epoche. Als solche nimmt sie die Denkmalpflege in zahlreichen europäischen Ländern seit gut zwei Jahrzehnten immer mehr in den Blick. Die Ausstellung „BIG HERITAGE. Welche Denkmale welcher Moderne?“ gibt an- hand ausgewählter europäischer Beispiele einen Einblick in die Denkmal-Debatten um Bauten der Nachkriegsmoderne.
Heute sind viele dieser Bauten umstritten. Einige Großstrukturen sind in ihrem Fortbestehen sogar akut gefährdet. Sie drohen zu verschwinden, noch bevor sich die Gesellschaft ihrer historischen, künstlerischen oder sozialen Bedeutung überhaupt bewusst geworden ist.
Welche dieser Bauwerke sollen Denkmale sein und warum? Innerhalb Europas sind die Verfahrensweisen bei der Ausweisung von Denkmalen sehr unterschiedlich.
Anhand ausgewählter Objekte aus ganz Europa wird gezeigt, dass und wie derzeit um die Denkmalwürdigkeit großer Architekturen gestritten wird. Geht es um soziale Errungenschaften, um Kunst oder um technischen Fortschritt? Welche Bedeutung messen Fachleute den Gebäuden bei? Verbinden die Bewohner*innen damit Erinnerungen, gar ein Gefühl von Heimat? Aus welchen Motiven heraus erfahren diese Bauwerke eine besondere Wertschätzung?
Dabei geht es nicht nur um die Alternative Erhaltung oder Abriss. Die Gesellschaft muss sich die Frage stellen, ob und wie sie an das utopische Versprechen der Moderne anknüpfen will. Denn die Herausforderungen von damals bestehen weiterhin. Es stellt sich die Frage nach angemessenen Umgangsstrategien mit dem BIG HERITAGE: Konservieren, rekonstruieren oder kernsanieren? Umnutzen oder abreißen? Viele Akteur*innen sind an diesen Aushandlungsprozessen beteiligt: Bewohner*innen, Nutzer*innen und Eigentümer*innen, Architekt*innen, Denkmalpfleger*innen und nicht zuletzt die Politik.
[Weiterführende Lektüre: S. Hnilica: Der Glaube an das Große in der Architektur der Moderne. Großstrukturen der 1960er und 1970er Jahre, Zürich 2018.]
Großbauten im Denkmaldiskurs
Mit dem „European Cultural Heritage Year 2018“ hat die Europäische Kommission dazu aufgefordert, das Bewusstsein für unser reiches gemeinsames Erbe zu fördern und die Bereitschaft zu seiner Bewahrung zu wecken. Großmaßstäbliche Architektur ist ein gesamteuropäisches Phänomen und wurde nach 1945 in unterschiedlichen Gesellschaftssystemen entwickelt. Sie verkörpert den Zukunftsoptimismus einer fortschrittsorientierten Moderne, mit den Mitteln der Architektur eine bessere Welt zu entwerfen. Die Geschichte der europäischen Architektur der sogenannten Boom-Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine Geschichte der Superlative: große Investitionen, serielle Produktion und ambitionierte soziale Konzepte.
Der Forschungsverbund „WDWM – Welche Denkmale welcher Moderne?“ Der Forschungsverbund WDWM ist ein Kooperationsprojekt der Bauhaus-Universität Weimar und der Technischen Universität Dortmund. Er wurde 2014–2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und brachte Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Architektur, Denkmalpflege, Kunstgeschichte und sozialwissenschaftliche Stadtforschung zusammen.